Hans-Nüchter-Sternwarte im Covid-Schlaf?

von Gerd Habersack

Ver­folgt man unseren Twitter-Feed oder die Ein­träge auf dem Blog unserer Home­page, kann leicht die­ser falsche Ein­druck ent­stehen. Es wird Zeit, dem ent­ge­gen­zu­wirken.

Tatsächlich ist der Betrieb der Stern­warte auch während der bis­heri­gen Pan­de­mie weiter­ge­lau­fen. Etwas ver­nach­lässigt wurde nur die Öffentlich­keits­arbeit. Soweit es die je­weili­gen Be­stimmungen und vor allem auch das Wetter er­laub­ten, fan­den Beob­ach­tungs­abende für vor­ange­mel­dete Klein­gruppen nach kurz­fristi­ger tele­fo­nischer Ab­sprache weiter­hin statt. Die Nach­frage über­traf dabei deut­lich die freien Zeit­fenster.

Die Zeit des Home­office hat auch auf der Stern­warte eine wich­tige Rolle ge­spielt, viele Beob­achtungs­reihen sind unter­dessen noch stärker digi­tali­siert und von zuhause aus steuer­bar.

Ein wichtiger Bau­stein hierzu ist die digi­tale Steuer­bar­keit der Stern­warten­kuppel, ein Projekt mit speziellen Heraus­forderungen, immer­hin ist die Kuppel bald ein halbes Jahr­hundert alt mit eigent­lich analogen An­trieben. Kuppel­spalt und Kuppel­drehung sind nun auch im Home­office be­dien­bar, die exakte Positio­nierung der Kuppel­drehung funktio­niert noch nicht ganz so präzise wie geplant.

Eine ent­sprechende digitale Positio­nierung des Teleskops in der Kuppel ist aktuell nicht möglich. Der Er­satz der manu­ellen Fern­rohr­mon­tierung durch eine computer­ge­steuerte ist aus den Mitteln des Förder­vereins der­zeit leider nicht finanzier­bar. Mess­programme mit einer festen Aus­rich­tung des Teleskops können nun aller­dings im Home­office (natür­lich auch vom Stern­warten­raum unter­halb der Beob­achtungs­platt­form) durch­ge­führt werden.

Daher war auch während der Lock­down­phasen mit nächt­lichen Aus­gangs­sperren die fern­ge­steuerte Fort­führung des Projekts zur Bestimmung der genauen Lage des nörd­lichen Himmels­pols über nächt­liche foto­grafische Auf­nahme­serien des Pol­bereichs möglich.

Für Interessenten auch am heimischen PC möglich war weiter­hin die Teil­nahme an der „Inter­national Astro­nomical Search Collaboration ‒ IASC“, die sich der Suche nach noch un­be­kannten Asteroiden wid­met und für Deutsch­land vom Haus der Astro­nomie in Heidel­berg orga­nisiert wird. Die Hans-Nüchter-Stern­warte ist einer der deutschen Projekt­teil­nehmer. Die der Stern­warte zur Aus­wer­tung zur Ver­fügung ge­stellten Daten­sätze des Pan-STARRS-Teleskops auf Hawaii wer­den neben der Astro­nomie-AG der Freiherr-vom-Stein-Schule auch anderen Aus­wertern (Citizen Scientists) zu­gäng­lich ge­macht.

Meteor über der Kuppel der HNS
Copyright: Marc Streit, Allsky7 Fireball Network

Unter­dessen ist die Hans-Nüchter-Stern­warte auch Teil des „AllSky7 Fireball Network Europe“ mit einer auf der Platt­form installierten digi­talen Allsky-Kamera, welche Videos des gesamten Nacht­himmels mit 25 Bilder/Sekunde auf­zeich­net. Meteore (Stern­schnuppen) und ins­beson­dere Feuer­kugeln (Bolide) wer­den auto­matisch aus­ge­wertet und die Er­gebnisse ans AllSky7-Netzwerk über­mittelt. Damit nimmt die Stern­warte die Tra­dition der früheren jahre­lang von Rudolf Auth be­treuten Meteor­kamera des Europäischen Feuer­kugel­netzes in Magdlos wieder auf, die aller­dings noch auf Foto­film­basis mit nächt­licher Lang­zeit­be­lichtung be­ruhte.

Kürz­lich sind wir noch einem weiteren Netz­werk bei­ge­treten: Der MuonPi-Community. Myonen sind Zer­falls­pro­dukte in der oberen Atmo­sphäre, die wir mit unserem Myonen-Detektor „auf­fangen“. Eins der Ziele des Netz­werks be­steht darin, den Ur­sprung von solchen Partikel­schauern orten zu können. Jeder einzelne Detektor kann nur die An­zahl der Myonen in seiner Um­ge­bung messen ‒ das gesamte Netz­werk hin­gegen lässt Rück­schlüsse auf die Rich­tung des Schauers zu und soll hel­fen die kosmische Ur­sache dieser Partikel­ströme zu fin­den und astro­physika­lische Theorien auf die Probe stellen.

Schon länger ist die Hans-Nüchter-Stern­warte ein zentraler Bestand­teil des Projekts „Himmels­monitoring“ des Sternen­parks Rhön und der Sternen­stadt Fulda. Es dient der Über­wachung und Aus­wer­tung der nächt­lichen Himmels­hellig­keit und damit der Aus­wirkung der Licht­ver­schmutzung, die den Status „IDA Dark Sky Reserve“ der Rhön bzw. „IDA Dark Sky Community“ der Stadt Fulda gefähr­den könnten.

Thematisch an das Thema „Himmels­monitoring“ an­ge­lehnt ist auch das Projekt „Nacht­lichter“ des Geo­forschungs­instituts Potsdam. Gemein­sam mit anderen Citizen Scientists haben wir jegliche Lichter aus­ge­wählter Straßen­züge in Fulda, Peters­berg und Künzell syste­matisch er­fasst und kartiert, um die von Satelliten ge­messenen Licht­emissionen künftig besser den am Boden ge­zähl­ten künst­lichen Licht­quellen zu­ordnen zu können. Unser Nach­wuchs hat es damit in einen Bericht des BR-Fernsehens ge­schafft.

Foto: Marc Streit – Lizenz: CC BY-SA 4.0

Sofern das Wetter und die Aus­gangs­be­schrän­kungen es zu­ließen, wur­den die Möglich­keiten digi­taler Astro­foto­grafie in Kombi­nation mit modernen Licht­ver­schmutzungs­filtern aus der Stadt­lage der Stern­warte heraus ge­nutzt und weiter aus­ge­baut. Die modernen Auf­nahme­techni­ken er­mög­lichen selbst unter einem auf­ge­hellten Stadt­himmel ‒ zumindest für einen Teil der astro­nomischen Objekte wie sog. Emissions­nebel ‒ beacht­liche Er­gebnisse. Ein dunkler Himmel ist dennoch nicht zu ersetzen. Und so lassen diese Auf­nahmen nur erahnen, was mit einem zusätz­lichen Stand­ort in der Rhön an weiteren Wundern des Kosmos zu­gäng­lich würden, die von der Stadt aus leider im Ver­bor­genen blei­ben müssen. Ein Neben­effekt: Die digitalen Auf­nahmen hoch­auf­lösender Astro­kameras zei­gen im Gegen­satz zum visuellen Beob­achten deut­lich, wo Nach­jus­tierungen der Teleskope und Mon­tierungen not­wendig er­schei­nen. Ein weiterer (zeit­intensiver) Aspekt der Tätig­kei­ten auf der Stern­warte zu Covid­zeiten.

Screenshot des Livestreams zur partiellen Sonnenfinsternis 2021

Zur partiellen Sonnen­finster­nis am 10. Juni 2021 hatten wir Glück mit dem Wetter und konnten das Ereig­nis live streamen und so den etwa 1.600 Schülern der Freiherr-vom-Stein-Schule sowie der Öffent­lich­keit den Blick auf die teil­ver­finsterte Sonne er­mög­lichen, auch wenn die Stern­warte selbst pandemie­bedingt ge­schlossen blei­ben musste.

Zu allen genannten Themen wer­den wir sukzessive eigene Artikel mit aus­führ­licheren Infor­mationen ver­öffent­lichen.

Außer­dem hoffen wir natür­lich auf eine baldige Rück­kehr zum nor­malen Publikums­betrieb, um unserem Auf­trag als Volks­stern­warte wieder besser ge­recht wer­den zu können.

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